Rezension zum neuen Lyrikband
- Stefan J. Rümmele
- Jun 27
- 2 min read
Updated: Jun 28
Alles grünt, es grünt üppig - von Jens-Philipp Gründler

Mit Annette Rümmeles Lyrik bin ich seit langer Zeit vertraut. Ich habe das Glück, die Dichterin von unserer gemeinsamen Tätigkeit für die Zeitschrift Experimenta her zu kennen, seit nunmehr über zehn Jahren. Ihren wundervollen ersten Gedichtband „Die Poesie der Gestalt“, der 2017 in der Edition Maya erschien, rezensierte ich. Schon damals war mir klar, dass es sich um eine außergewöhnlich begabte Poetin handelte, deren Worte mir die Sprache verschlugen. Aber nicht nur das. Andererseits gaben sie mir neue Luft zum Atmen, inspirierten und kräftigten mich. Ihre damalige Veröffentlichung enthielt nicht nur Gedichte, sondern auch Kurzprosa, äußerst gelungen.
Dennoch waren es diese pointiert formulierten Verse und Strophen, die mich bannten. Ich selbst bin leider völlig ungeeignet dazu, Poesie zu verfassen, da ich einen Hang zum Schwafeln habe. Deshalb bewundere ich Autorinnen und Dichter über die Maßen, denen es gelingt, ihre ästhetischen Eindrücke, die sie, wie Annette Rümmele, aus der Natur oder ihrer Umgebung gewinnen, in derart knappe und blitzartig einschlagende Poeme zu kleiden. Sie kochen ihre Sujets gewissermaßen herunter, destillieren aus Schönheit, aber auch Schrecken, die Essenz heraus.
Annette Rümmele präsentiert in ihrem neuen Band „Grün : der üppigen“, welcher soeben in der Edition Maya erschienen ist, in sieben Kapiteln ihre prägnanten Verse. Schon das ästhetisch hochwertige Cover, welches ihr langjähriger Wegbegleiter Jürgen Fiege gestaltet hat, lädt die Leserschaft ein, sich vom Lärm loszusagen:
„die Dämmerung löscht
mit ersten Schatten
den Aufruhr, Lärm –
verwandelt Rumor
in die Macht
der Stille“
Gegenwärtig – war es schon immer so? – verursachen Kriege und Krisen einen permanenten Dreck und Lärm, der in uns eindringt und uns verschmutzt, seelisch, emotional. Es mag einem vorkommen, als sei diese Kriegsindustrie perfektioniert worden, um uns vom eigenen Denken und Empfinden, und von der Liebe (!) wegzubringen. Annette Rümmele, promovierte Psychologin, weiß sehr genau, wovon sie berichtet. Ihr Anliegen scheint darin zu bestehen, die wunden Seelen der Menschen heilen zu wollen. Bei diesem Vorhaben unterstützen wir sie gern und genießen ihre anmutigen Gedichte. Wie bei Haikus, Annette Rümmele verwendet die ihnen ähnelnde Form des Senryūs, findet man in ihrem Band keinerlei Verschwendung, oder: dem Titel widersprechende Üppigkeit. Sie bringt alles, was sie zu sagen hat, auf den Punkt. Und da sie sehr viel zu sagen hat, ist es umso bewundernswerter, dass ihren Kreationen jegliche Überflüssigkeit fehlt. So, wie sie sind, sind die Gedichte klar, in Form und Inhalt. Wie prächtige Bonsaibäumchen stehen sie im Sonnenlicht und begrüßen uns. Die Natursymbolik spricht Bände. Auch an einen Spaziergang im kühlenden Schatten eines Waldes, womöglich barfuß?, mag man denken, wenn man diesen Band liest. Im titelgebenden Gedicht „Grün : der üppigen“ heißt es:
„und hören
fern leis den Klang
den himmlischen
und verweilen im
Grün
: der üppigen“
Diesen Versen ist nichts hinzuzufügen.
Text veröffentlicht in lesejury.de
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