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Die Zufallshypothese

  • Writer: Stefan J. Rümmele
    Stefan J. Rümmele
  • Mar 13
  • 3 min read

Leo Brotzki liebte seine Routinen. Er war Professor für Thermodynamik an der Universität von NovaScientia und überzeugt davon, dass der Mensch ständig gegen die Entropie ankämpfen müsse, um nicht im Chaos zu versinken. Jeder Tag begann für ihn mit einem festen Morgenritual: schwarzer Filterkaffee, zwei Toasts mit Marmelade, ein kurzer Blick in die Zeitung. Alles war präzise getaktet, um Zufällen keinen Raum zu lassen.

„Gott ist eine Krücke,“ pflegte Brotzki in seinen Vorlesungen zu sagen. „Der wahre Architekt unseres Universums ist - leider Gottes - der Zufall.“ Immer wenn ihn diese ihn belastende Erkenntnis zu sehr deprimierte, zog sich der Professor in sein Büro zurück. Dieser, sein Rückzugsraum, war eine wahre Höhle der Rationalität: Bücher, Diagramme, ein riesiges Modell des Sonnensystems, bei dem die Planeten durch komplizierte mathematische Formeln verknüpft waren. Die Tage gingen dahin - ohne Aufregung und Abenteuer. Fast ein wenig zu ereignislos…

Dann aber, an einem kalten Montagabend geschah etwas, das Leo Brotzki aus der Bahn warf. Als er wie gewohnt seinen Schlüssel in die Wohnungstür steckte, fand er ein kleines, sorgfältig gefaltetes Stück Papier auf der Türinnenseite hinter dem Metallschloss eingeklemmt. „Für den, der Ordnung sucht, aber den Zufall findet,“ stand darauf.

Brotzki runzelte die Stirn. Niemand außer ihm selbst hatte Zugang zu seiner Wohnung. Wer konnte so etwas hinterlassen haben?

Er nahm den Zettel mit ins Büro, vergaß ihn aber zunächst, bis er in einer Abendvorlesung zufällig(?) aus seiner Hosentasche fiel. Einer der Studenten bemerkte es und fragte neugierig: „War das jetzt Zufall oder Vorsehung, Herr Professor?“

Der so unvermittelt Angesprochene schüttelte geistesabwesend den Kopf, war aber verstörter als er zugeben wollte. Irgendwie fühlte er sich ertappt, obwohl der Student gar nicht wissen konnte, was ihn umtrieb. Alles sehr seltsam, dachte er. Versuchte tatsächlich jemand gezielt, seine Ansichten infrage zu stellen?

Bereits am nächsten Tag geschah ein weiteres mysteriöses Vorkommnis. Diesmal fand der Professor eine Münze – einen alten Groschen aus dem Jahr 1901 – auf seinem Schreibtisch. Niemand hatte sein Büro betreten, das war sicher. Vielleicht ein Trick des Zufalls, dachte er, nur schnell wieder vergessen.

Doch die Vorfälle häuften sich. Ein dritter Fund: ein alter Kompass, der nicht mehr funktionierte, aber immer nach Osten zeigte. Ein vierter: eine schwarze Feder, so fein und filigran, dass sie wie ein kunstvolles Schmuckstück wirkte.

Brotzki begann, seine ureigensten Thesen infrage zu stellen. Hatte der Zufall eine Richtung?

Eines Abends beschloss er, die Funde zu analysieren. Er legte sie in der Reihenfolge aus, in der sie aufgetaucht waren, und bemerkte, dass sie eine Art Muster ergaben. Der Zettel, die Münze, der Kompass, die Feder – alles schien eine geheime Botschaft zu enthalten. Es war eine Art kosmischer Fingerzeig, der ihn aufforderte, nach einer Antwort zu suchen.

Wenig später machte er sich auf den Weg. Ohne genau zu wissen, warum, folgte er dem Kompass, der ihn in den verschneiten Wald hinter der Stadt führte. Die Bäume warfen lange Schatten, und Brotzki spürte eine seltsame, unerklärliche Unruhe in sich aufsteigen. Der Pfad endete an einer Kapelle, die er nie zuvor bemerkt hatte.

„Alles sehr merkwürdig“, murmelte er.

Im Inneren der kleinen Kirche saß ein Mann, gehüllt in einen alten Mantel, und lächelte Leo Brotzki an. „Wie kann ich Ihnen helfen?“ Es stellte sich heraus, dass der Unbekannte hier im Auftrag der Kirche regelmäßig Sprechstunden für Hilfesuchende abhielt. Brotzki erzählte ihm von den seltsamen Funden.

„Wahrscheinlich gibt es dafür eine ganze simple Erklärung“, behauptete sein Gegenüber und lächelte vielsagend in sich hinein. „Es gibt so vieles zwischen Himmel und Erde, was unser Spatzenhirn nicht begreift, vielleicht nie begreifen wird“, sagte der Mann. „Damit werden auch sie sich, Herr Professor, ein für allemal abfinden müssen. Zufall oder Vorsehung, wer weiß das schon!“

„Das ist mir jetzt aber ein bisschen zu dünn“, entgegnete Brotzki. „Gibt es denn für uns gar keine Möglichkeit, dieses Rätsel irgendwann zu lösen?“

„Irgendwann vielleicht schon“, sagte der Ratgeber, als hätte er Brotzkis Frage erwartet.

„Und wann wird das sein?“

Der Unbekannte zuckte mit den Schultern: „Immerhin, es gibt eine Hoffnung und die heißt KI!“

„Das ist jetzt nicht ihr Ernst?“

„Doch, das ist mein voller Ernst!“

Brotzki machte eine abfällige Handbewegung und verließ die Kapelle grußlos. Jetzt soll die KI auch noch die Schlüsselfragen unserer Existenz lösen können. Soweit kommt es noch… dachte der Professor. Der Mann schaute ihm irritiert hinterher.

Im Weggehen nuschelte der Professor vor sich hin: Nun gut, mein schlauer Ratgeber kann ja nicht wissen, dass diese Geschichte in weiten Teilen von einer KI erfunden und geschrieben wurde. Kein Wunder, dass die KI pro domo spricht.


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