In der Schreibwerkstatt
- Stefan J. Rümmele
- Mar 8
- 2 min read

Blockade - oder warum ich Jandl mag
Schreibwerkstatt: Ich sitze vor einem leeren Blatt Papier. Wir sollen etwas schreiben. Egal was, Hauptsache selbst erfunden. Doch mir fällt nichts ein.
Also stelle ich mir vor, ich säße in einer Schreibwerkstatt und mir fiele etwas ein. Ich könnte zum Beispiel etwas über die schleppenden Jamaika-Verhandlungen schreiben, Maulaffen und Kläffer aus dem bayerischen Archaikum. Aber das ist viel zu unpersönlich.
Etwa, dass mein Herz schon wieder sticht, mein Darm unangenehm grummelt, meine Hände
schweißnass sind vor lauter Kreativitätsschub. Scheint mir wiederum zu privat . . .
Oder über die KollegenInnen aus dem Schreibkurs. Die Frau vor mir, die ungeduldig an ihrem Bleistift kaut. Oder den Managertyp, der sich hierher verirrt hat und gelangweilt seine Brille putzt. Den Kursleiter, der teilnahmslos am Pult kauert und in die Leere starrt. Viel zu öde!
Was dann? Okay, die allseits verbreitete Unsitte in den sozialen Medien im Schutz der Anonymität alles in den Dreck zu ziehen, das ließe sich anprangern. Beispiele gefällig? Ist aber auch nicht gerade neu.
Warum ich in der Schreibwerkstatt sitze? Soll ich das etwa ausbreiten? Warum wohl? Kann sich doch jede/r denken . . .
Ich könnte meine innere Leere thematisieren. Leere greifbar machen – gar nicht so einfach. Im Anfang war das Nichts . . . oder am Ende . . . oder beides?
Klingeling – die Schreibphase ist vorbei. Der Kursleiter fordert uns auf, zum Ende zu kommen. Wer hat den Mut, seine Geschichte vorzulesen?
Ich starre noch immer auf ein leeres Blatt.
Dann beschließe ich, Rilkes „Panther“ auswendig vorzutragen. Nicht ohne den Hinweis, dass
wahrscheinlich alles schon einmal gedacht und gesagt wurde – vermutlich treffender, als es uns je gelingen wird.
Schweigen in der Runde. Dann doch verhaltener Applaus.
Der Kursleiter bedankt sich bei mir.
Zuhause nehme ich das Reclam-Bändchen von Ernst Jandl zur Hand und lese:
rilke in schuhen
trug immer
zwei
wade an wade
stand rilke
aus den beiden schuhen heraus
Wie beruhigend!
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