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Schlimmling Maier – in memoriam John Lennon

  • Writer: Stefan J. Rümmele
    Stefan J. Rümmele
  • Mar 8
  • 3 min read

Schlimmling ist ein Märchen, kein ganzes, aber ich’s versuchs mal. Also, Schlimmling ging die Straße hin-unt-er, da kam ihm ein hinkender Christschaum ausgelassen entgegengewinkelt.

„Helau“, sagte der notorische Christschaum, „hast Du die Kaulpappe gesehen?“. Der Christschaum aber meinte den Osterhasen, und so sagte der Schlimmling: „Nein, den Kinderzoo hab ich nicht gesehn, Kirchturm, aber rate, was mir heute Nacht passiert ist?“

Da kam ein dicker Rüsseltiger mit runder Nickelbrille und mixte sich ein: „Dem Herrn, unserm Vater, sei Dank für die gute Ernte.“ Schlimmling und Christschaum stutzten: Wir haben doch Hochsommer – oder? Und der spricht das Gebet zum Erntedank!?

Dann gingen sie ihres Weges. Schlimmling überlegte und zählte die vier Jahreszeiten an fünf Fingern ab. Einer der Erzengel lag schnaubend mit Luzifer im Straßengraben; sie tranken Wein und kicherten lauthals. Schlimmling nahm einen Schluck, aber es war wie ungesäuertes Manna unter dem Gesetzestext der alten Moose.

Spinn ich, sagte Schlimmling zu sich, in der festen Absicht ratzeputz mit seiner Psyche aufzuräumen, wenn . . . oder spinnen die anderen . . . Da erschien der Hl. Bonifaz im Berberitzenstrauch und sprach: „Der Heilige Geist der Einfältigkeit komme über Dich, Verirrter.“

„Jetzt weiß ich gar nix mehr – is jetzt Pfingsten hä?“ fragte Schlimmling ungezwungen wie immer. Der Hl. Bonifaz wandte sich ab, kreidebleich, und sandte seine Herdscherben mit Feuersbrünsten über die Erde aus. Die Berge lachten die Sterne.

Ein Engel nahm ihn mit, weil er getrampt hatte. „Du wirst schauen“, sagte der Engel, der ganz grell war vor lauter Glanz und Grunz, „wir fahren jetzt zum Hl. Abendmahl in die Drachentote von Gotha.

Ach Gott, dachte Schlimmling, das liegt ja in der DDR, und sprang mit einem Satz vom Stuhl, und die anderen Engel preschten vorbei. Alle hatten die Posaunen von Jericho geschultert wie leere Sauerstoffflaschen.

Ich möchte so gern wissen, was heute für ein Tag ist, dachte Schlimmling, als ihm der Rüsseltiger von rechts und links eins um die Ohren haute und sagte: „Schau mal, wen ich mitgebracht habe!“

„Ich seh‘ niemand“, sagte Schlimmling und guckte weg. „Sag mir lieber, was heute für ein Tag ist.“

„Hier“, sagte der Rüsseltiger stolz und hielt ihm eine klitzekleine Plastikfigur unter die Nase. „Das lag auf meinem Gabentisch und stinkt.“

„Ciissss“, entgegnete Schlimmling abfällig, „und das soll etwas Besonderes sein?“

Der Weg machte an der Stelle eine Biegung und vorne um die Ecke hockten die Heiligen Drei Könige beim Picknick.

„Einen Guten“, rief Schlimmling, aber sein Magen knurrte so toll, dass sie Reißaus nahmen. Ich hätte sie so gern gefragt, dachte Schlimmling, was heute für ein Tag ist. An der Tankstelle streichelte er den Torwart. „Petrus war vorhin da und klagte über das schwüle Wetter“, erfuhr er von dem. „Kümmert sich selbst auch um nichts mehr, der alte Drecksack.“

Winter kann nicht sein, sonst läge Schnee, dachte Schlimmling allmählich. Er lachte über den

nächsten Weg ins Dorf. Auf dem Marktplatz stand selbstvergessen der Turmbau zu Babel: 50 Pfennig Eintritt – fürs Mitmachen 2 Mark extra.

Das interessierte Schlimmling aber nicht, weil er auf einer weißen Fährte war. Sie führte aus dem Dorf hinaus, den Wald entlang, bis der Horizont plötzlich zu einer großen glühenden Vorhaut wird. Eine aus grünen Warzen, Hexe genannt, flocht senkrechte Besen in die rote Luft.

„Du bist also die Kaulpappe“, sagte Schlimmling errötend, „jetzt wundert mich nichts mehr. Du hast die Welt verzaubert – und niemand weiß Datum, Tag und Uhrzeit mehr.“

Die Hexe schaute wie ein besorgter Geschichtsprofessor, nur die Brille fehlte.

„Wir haben Frieden geschlossen mit den anderen“, sagte sie unter vorgeschützter Hand, „aber sag’s bitte nicht weiter, Schlimmling.“

„Das dualistische Prinzip habt ihr kaputt gemacht“, schrie Schlimmling plötzlich völlig außer sich und stampfte mit einem Bein nach der Erde.

Da kam Paulus schon wieder an der falschen Stelle auf die Bühne und las auch noch die falsche Stelle aus der Johannes-Apokalypse. Schlimmling war am Ende mit seinem Latein. „Einen Dolmetscher!“, rief er händeringend aus. „Paulus muss weg. Viertausend Jahre zu spät dran, der Saftsack. Schau, dass Du dem Petrus hilfst, der ist wetterfühlig,“ stammelte Schlimmling.

Dann wandte er sich wie nebenbei der Schlange zu, denn die Hexe hatte sich aus Versehen

verwandelt, als Saulus aufgetaucht war. „Ihr könnt alles kaputt machen, aber die uralten Prinzipien nicht!“, schrie er und stampfte wieder auf wie ein Rumpelheinzchen. „Ich habe meine Innenausstattung erst unlängst komplett erneuert. Warum sagt ihr so etwas nicht früher, dass man sich darauf einstellen kann!! Diese ganzen Engel und Heiligen haben kein Wort davon verloren!“

„Die sind zum Schweigen verpflichtet“, sagte die Hexe wichtig.

Doch an dieser Stelle bricht das Märchen unnachsichtig mit der Fiktion und wird Realität.


Schlimmling steht auf und verlässt das Cabaret. Draußen heißt er Maier.

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